2008 Ordo und Identität

– geistliche Frauen im europäischen Mittelalter

Tagung am 6.-9. März 2008
Veranstaltet von AGFEM (Arbeitskreis geistliche Frauen im europäischen Mittelalter)

Leitung: Alison I. Beach, Letha Böhringer, Gisela Muschiol, Sigrid Schmitt, Anne Winston-Allen

Bericht von Petra Kurz

Vom 6.-9. März 2008 fand auf Schloss Dhaun an der Nahe die Tagung „Ordo und Identität: geistliche Frauen im europäischen Mittelalter“ statt. Es handelte sich um die Auftakttagung eines zunächst auf zwei Jahre ausgelegten deutsch- amerikanischen Kooperationsprojekts des „Arbeitskreises geistliche Frauen im europäischen Mittelalter“ (AGFEM) und wurde von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung gefördert. Das Ziel des Projektes ist die Zusammenarbeit und die Vernetzung deutscher und amerikanischer Forscher und Forscherinnen, deren Forschungsobjekt mittelalterliche geistliche Frauengemeinschaften in ihrer Vielfalt und Breite sind. Ganz in diesem Zeichen stand auch die Tagung. Sie widmete sich im Besonderen der Identität von geistlichen Frauen im Mittelalter. Das Selbstverständnis und die Selbstwahrnehmung der Frauen in ihren Orden und Lebensgemeinschaften, aber auch über diese institutionellen Grenzen hinaus, stand in den einzelnen Sektionen immer wieder zur Diskussion. Besonders durch die internationale Besetzung der Teilnehmer profitierte die Tagung von einem großen methodischen Spektrum und verschiedenen Ansätzen. Durch eine abwechslungsreiche Gestaltung der einzelnen Sektionen – von einem Round Table über einen Workshop bis hin zu klassischen Vorträgen – wurde dies noch unterstützt. Neben der Teilnahme renommierter Forscher wurde auch der jungen Forschung die Möglichkeit gegeben, Ergebnisse zu präsentieren. So waren nicht nur einige Doktoranden auf der Tagung vertreten, sondern auch eine Gruppe Studenten aus den USA und Deutschland, die begleitend zur Tagung an einem Studentenaustausch mit Exkursions- und Studienprogramm teilnahmen.

Zu Beginn der Tagung stellten die Organisatorinnen sich und die Arbeit von AGFEM näher vor. Seit etwa vier Jahren arbeiten verschiedene Mitglieder des Arbeitskreises bereits zusammen. Nach mehreren informellen Tagestreffen und kleineren Tagungen ist es inzwischen gelungen, den Kreis der Mitglieder und auch der Forschungsschwerpunkte zu öffnen und auszubauen. Der anfängliche Fokus auf den rheinischen Frauenklöstern habe sich längst geöffnet, die Beziehungen in ein europäisches und us-amerikanisches Forschungsnetzwerk habe sich gefestigt und dieser Prozess sei noch lange nicht abgeschlossen, so Letha Böhringer, eine der Organisatoren der Tagung. Entscheidend sei es für den Arbeitskreis, diese offene Haltung beizubehalten und auch den Arbeiten „in progress“ immer wieder ein Forum zu bieten. Innerhalb des zweijährigen Forschungsprojekts zu den geistlichen Frauen im europäischen Mittelalter kündigte AGFEM neben dieser Tagung noch eine weitere für 2009 zum Thema „Familienbande“ an. Themen sollen hier vor allem die Verbindung der Frauen zu ihren Familien, politische Familienstrategien, die in den Klöstern verfolgt wurden und die familiäre Memoria durch die geistlichen Töchter sein. Für das Jahr 2009 ist auch ein weiterer studentischer Austausch vorgesehen und vor allem die Einrichtung und Pflege einer eigenen Homepage.

Die erste Sektion wurde von Letha Böhringer geleitet. Sie versammelte zum Auftakt der Tagung Beginenforscher aus verschiedensten Regionen Deutschlands, den Niederlandenund der USA an einem Round Table. Diskutiert wurde die Selbst- und Fremdbezeichnung von Beginen unter dem Titel: Name, Spitzname und Schimpfname. Da über Beginen keine Viten, Chroniken oder gar Selbstzeugnisse erhalten sind, scheint es nur schwer möglich dieser Frage auf den Grund zu gehen. Letha Böhringer forderte die Teilnehmer des Round Table daher auf, aus ihren eigenen regionalen, aber breiten Quellenfundi ihre Ergebnisse zu schildern und zu diskutieren. Am Round Table nahmen Barbara Baumeister (Augsburg), die sich mit Beginen und geistlichen Lebensformen in Südwestdeutschland beschäftigt, Jennifer Deane (Morris, MN), die die Beginen in Würzburg näher untersucht, Elizabeth Makowski (San Marcos, TX), die Tertarinnen und Beginen in Rechtsquellen erforscht hat und Vera von der Osten-Sacken (Göttingen), die sich in ihrer Dissertation unter anderem mit der Vita Jakobs von Vitry über die Begine Maria von Oignies befasst hat, teil. Des Weiteren konnte Gerhard Rehm (Kempen) durch seine Forschung zu den Schwestern vom gemeinsamen Leben am Niederrhein und deren Abgrenzung zu den Beginen zum Round Table beitragen, während Hildo van Engen (Amsterdam) die Beginen- und Tertiarinnenforschung in den Niederlanden vertrat und Jörg Voigt (Jena) über die Beginen in Erfurt und Mitteldeutschland sowie die entsprechende Gegenüberlieferung an der Kurie zur Diskussion einen Beitrag lieferte. Drei Leitfragen zur Selbst- und Fremdbezeichnung der Beginen standen zur Diskussion: 1. Ist Begine ein Spottname? Wie hießen die ersten Beginen tatsächlich? 2. Wie wurden die Frauen von ihren Feinden genannt? Diente der Name Begine zur Diffamierung? 3. Diversifizierung: Bedingen verschiedene Funktionen der Beginenhäuser ihre unterschiedliche Lebensweise?

Für die ersten Bezeichnungen der Beginen konnten die Teilnehmer sehr unterschiedliche Quellenbelege nennen. Während in Erfurt die erste Begine 1272 belegt ist, ist die erste Nennung einer Begine in Südwestdeutschland erst für das 14. Jahrhundert nachweisbar. Die Bezeichnungen der Beginen, so waren sich die Diskutanten einig, differieren regional stark. Trotzdem scheint für alle Regionen das „Phänomen“ Begine schon früh nachweisbar und auch den Zeitgenossen bekannt gewesen zu sein. Ihre Lebensform wird allerdings mit verschiedensten Begriffen bezeichnet. Ab dem 13. Jahrhundert wurde der Name Begine ein Inquisitionsbegriff. Im 15. Jahrhundert dann tauchten die Begriffe undifferenziert und vermischt auf. Insgesamt muss stets der Wissensraum der Betrachter bzw. Autoren bei der Untersuchung der Fremdbezeichnung von Beginen berücksichtigt werden.

Obwohl das Beginenwesen durch das Konzil von Vienne faktisch verboten und die Verfolgung legitimiert wurde, sind die Folgen vor allem lokal differenziert zu sehen, so das Ergebnis der Diskussion. Das Konzil von Vienne ermächtigte Bischöfe, Beginenhäuser aufzulösen oder umzuwandeln, tatsächlich hat dies aber nicht flächendeckend stattgefunden. In den Niederlanden kommt es zu keiner Reaktion auf Vienne. Genauso auch in Köln, hier bezeichnen sich selbst Frauen aus dem Bürgertum als Beginen, was darauf schließen lässt, dass dieser Begriff nicht als häretisch verstanden wurde. Insgesamt kam der Round Table zu dem Schluss, dass der Begriff Begine nach dem Konzil von Vienne in den Quellen weniger häufig vertreten ist, obwohl die Präsenz der Beginen nach wie vor ungebrochen war. Auch an Orten, in denen die Verfolgung der Beginen nachzuweisen ist, wie etwa in Straßburg, ist diese zu beobachten. Oft ist die Verfolgung der Beginen verstrickt in den Konflikt zwischen Pfarrklerus und Bettelorden, sodass vor allem die unruhestifenden und bettelnden Beginen verfolgt werden, während die institutionalisierteren und gut versorgten Beginenhäuser weiter bestehen konnten bzw. verstärkt wurden.

Über die Frage der Selbst- und Fremdbenennung der Beginen hinaus wies Barbara Baumeister darauf hin, dass ihre Funktion in der Gesellschaft und für verschiedene Ordensgemeinschaften eine Rolle spielen konnte. Einige Teilnehmer konnten Beginen als Vermittlerinnen für klausulierte Frauenklöster nachweisen. Die Frage nach ihren handwerklichen Tätigkeiten wurde kritisch bewertet. Vor allem für Köln gab Letha Böhringer zu bezweifeln, dass bei vielen Beginenhäusern überhaupt der Platz vorhanden gewesen ist, um Textilien zu produzieren oder zu verarbeiten und auch die Möglichkeit des Verkaufs der hergestellten Produkte gefehlt habe. Andere Beginen lebten von Memorialgebet und Krankenfürsorge. Die Frage wie arm die Beginen nun tatsächlich waren konnte daher nicht geklärt werden. Ganz unterschiedliche Umstände bestimmen die gesellschaftliche Position und damit auch die Armut oder den Reichtum der Beginen, darüber waren sich die Teilnehmer der Diskussion einig.

Abschließend kam der Round Table zu dem Schluss, dass das Beginenwesen ein vielschichtiges Phänomen war, mit unterschiedlichsten Ausprägungen, sowohl in der Selbst- und Fremdwahrnehmung der Frauen, als auch in ihrer Positionierung innerhalb der betrachteten Regionen. Gerade durch die lokalen Differenzierungen sei es entscheidend, regionalen Studien noch stärker zusammenzuführen, um die vergleichende Erforschung der Beginen voranzutreiben.

Unter der Leitung von Sigrid Schmitt (Tier) standen in der nächsten Sektion die Selbst- und Fremdwahrnehmung der Kanonissen im Mittelpunkt. Unter dem Sektionstitel „Entartung“ oder geistliche Lebensform? beschäftigten sich drei Vorträge mit der Lebensweise der Kanonissen und ihrer in Frage zu stellenden Reformbedürftigkeit sowie ihrer Abgrenzung bzw. Überschneidung mit der benediktinischen Identität. Sabine Klapp (Trier) stellte in ihrem Vortrag drei elsässische Damenstifte (Hohenburg, Andlau und St. Stephan in Straßburg) und deren Reformstatuten aus dem 15. und 16. Jahrhundert näher vor. Sie legte anschaulich dar, dass die Lebensweise der Kanonissen in den untersuchten Stiften typische Charakteristika aufweisen. So trugen die Frauen etwa keinen Habit, sie lebten von Pfründen, hielten engen Kontakt zu ihren Familien, die sich in vielen Situationen in die Belange der Frauen einmischten und ein Austritt einer Kanonisse aus dem Stift etwa wegen einer Heirat war nicht ungewöhnlich. Anders als die bisherige Forschung betont, konnte Sabine Klapp nachweisen, dass solange sich die Frauen an diese Statuten hielten, sie von keiner Seite als reformbedürftig wahrgenommen wurden. Sie waren als Kanonissen mit ihren spezifischen Charakteristiken und ihrer Lebensweise akzeptiert. Dies lässt sich durch die wichtige geistliche und vor allem soziale Funktion der Stifte innerhalb der elsässischen Kloster- und Stiftslandschaft erklären. Die Stifte dienten der standesgemäßen Versorgung der adeligen Frauen. Ihre Lebensweise wurde für eine kleine Gruppe von Frauen akzeptiert. Dies stand im Widerspruch zu ihrem geistlichen Leben, in dessen Mittelpunkt nach wie vor das Chorgebet stand.

Aus benediktinischer Sichtweise, genauer für die drei Metzer Benediktinerklöster Sainte-Glossinde, Saint-Pierre-aux-Nonnains und Sainte-Marie-aux-Nonnains, untersuchte Gordon Blennemann (Erlangen) die Abgrenzung zwischen der stiftischen und der benediktinischen Wahrnehmung der geistlichen Frauen. Anhand des Besitzes und der ökonomischen Lage der genannten Metzer Benediktinerinnen konnte Gordon Blennemann stiftische Besitzverhältnisse in den Konventen aufzeigen. Anders als verfassungsgeschichtlich ausgerichtete Studien, die diese als Auflösungs- und Verfallserscheinungen darstellen, zeigte er, dass die Nonnen selbst dies nicht als eine „Verstiftung“ wahrnahmen. Obwohl die Form der Besitzstruktur der Klöster eher der eines Stifts entsprach, betonten die Frauen immer wieder die starke Einheit zwischen dem Besitz des Klosters und dessen Patronin. Diese intensiv empfundene Gemeinsamkeit zwischen Besitz und Gemeinschaft zeige, so Gordon Blennemann, ein klares benediktinisches Selbstverständnis. Die stiftischen Elemente der Besitzstruktur sind als Konsequenz der ökonomischen Lage der Konvente zu verstehen. Ohne diese wäre ein Fortbestehen der Klöster nicht gesichert gewesen.

Zum Abschluss der Sektion stellte Michel Parisse (Paris) eine dritte Möglichkeit im Rahmen von stiftischem und benediktinischem Selbstverständnisses dar. Am Beispiel der Benediktinerinnen von Remiremont konnte er eine Gemeinschaft geistlicher Frauen zeigen, die sich selbst zwar als Benediktinerinnen bezeichneten, ganz klar aber – und das auch in ihrem Selbstverständnis –  nicht benediktinisch, sondern stiftisch lebten. Anhand von sechs überlieferten Testamenten verdeutlichte er ihren umfangreichen Besitz, auch an persönlichem Zierrat wie etwa Schmuck, und ihr Leben in eigenen Kurien. Darüber hinaus konnte er darlegen, dass sie jederzeit das Kloster wieder verlassen konnten, Kontakte auch außerhalb des Klosters und zu ihren Familien pflegten und über persönliche Diener verfügten.

Das Problemfeld der Benediktinischen Identität wurde in einem Workshop unter der Leitung von Alison Beach (Williamsburg, VA) dargestellt. Unter dem Titel „Regel, Reform und Wirklichkeit im Frühen, Hohen und Späten Mittelalter“ konnte Frau Beach Forscher wie Studenten in die Diskussion einbinden. James Gertzog (Williamsburg, VA) widmete sich der benediktinischen weiblichen Mystik aus kulturhistorischer und linguistischer Perspektive. Er sprach der verstärkten Ausprägung von weiblicher Mystik im 12. Jahrhundert eine kulturelle Potenz zu, die er an einem gleichförmigen linguistischen Schema der mystischen Berichte festmachte. Dieses Schema war auch geformt durch die männlichen Interpretatoren und Reinterpretatoren  und solche zur Vereinfachung der Vermittlung mystischer Erlebnisse dienen. Den Anfängen des Mönchtums und den Anfängen der weiblichen Regel widmete sich Albrecht Diem (Syracuse, NY). Ein Kloster könne nur mit einer Regel funktionieren, aber ohne ein Kloster sei auch keine Regel nötig. Er stellte die Anfänge des Mönchtums in Frage und betonte, dass vor allem die Lebensregeln für Frauen wie etwa jene von Caesarius von Arles große Einflüsse auf die monastische Entwicklung insgesamt gehabt hatten. Giles Constable (Priceton, NJ) übernahm die Aufgabe die beiden Vorträge zusammenzufassen und zu kommentieren. Er äußerte zunächst Bedenken den Terminus Mystik/mysticism zu benutzen, vor allem wenn er im Kontext der schriftlichen Überlieferung, die durch mehrere manchmal nicht mehr nachvollziehbare Faktoren beeinflusst wurde, genannt ist. Die Fragen nach der Terminologie und Textualität seien in Bezug auf das entstehende Mönchtum wie die mystischen Überlieferungen unablässig. Trotz allem warnte Giles Constable vor falschen Generalisierungen und Kategorisierungen, die die Zeit selbst nicht gekannt habe. Die politische wie gesellschaftliche Einbettung der Klöster machte eine Regel nötig, auch als Legitimierung des religiösen Zusammenlebens. Vor diesem Hintergrund sind die stets normativen Regeln anzusehen, die auch als Texte zur Schaffung kollektiver Identität verstanden werden können.

Die folgende Sektion widmete sich den Aspekten der Zisterziensischen Identität in Frauenklöstern des 12. und 13. Jahrhunderts. Sie wurde organisiert von Maria Magdalena Rückert (Stuttgart) und stand unter der Leitung von Annette Kehnel (Mannheim). Den Zisterzienserinnen im Bodenseeraum und ihrem geistlichen-kulturellen Umfeld widmete sich Nigel Palmer (Oxford). Als Indikator für dieses Umfeld zog er unter anderem die Schreibtätigkeit der Zisterzienserinnen heran. Insgesamt konnte er für die Zisterzienserinnen in diesem Gebiet nur wenig Schreibtätigkeit nachweisen. Erst Ende des 13. Jahrhunderts konstatierte er mit dem Aufkommen der volkssprachlichen Literatur den Beginn einer eignen Schreibkultur in den von ihm untersuchten Klöstern. Anhand der St. Georgener Predigten konnte er dies allerdings relativieren. Er ordnet diese Predigten, die vor der Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden sein müssen, anders als die bisherige Forschung nicht den Benediktinerinnen, sondern den Zisterzienserinnen zu. Obwohl die Provenienz der Predigten ungeklärt bleiben muss, konnte Nigel Palmer nicht nur eine weibliche, sondern vor allem eine zisterziensische Zielgruppe der Predigten ausmachen. Die Predigten setzten nicht nur umfangreiche Bibelkenntnisse voraus, sondern erhielten auch weitere theologische Anspielungen, womit für die Zisterzienserinnen ein mittleres intellektuelles Niveau der damaligen Zeit anzunehmen ist. Dies rückte die Zisterzienserinnen am Bodensee in ein neues geistlich-kulturelles Licht. Klaus-Gereon Beuckers (Stuttgart) widmete sich in seinem Vortrag zu zisterziensischen Klöstern der Identität der Zisterzienserinnen aus einer anderen Perspektive. Anhand verschiedener Klosteranlagen von Zisterzienserinnen konnte er gleichförmige architektonische Elemente herausarbeiten, die er als rhetorische Form und Wirkungsform der Zisterzienserinnen nach außen verstand. Hierzu zählen etwa die bauliche Umsetzung der Klausur, die Trennung von Frauen und Männern oder die Stiftermemoria in der Kirche. So konnte Klaus-Gereon Beuckers die in der Regel normativ vorgeschriebene Abtrennung der Frauen beim Chorgebet auf der Empore oder die Wegetrennung innerhalb der Kirche als architektonisch inszeniert entlarven, da sie sich im tatsächlichen klösterlichen Alltag nicht als funktional erweisen. Es interessierte sie stattdessen als bauliche Rhetorik, die Identität und auch die Fremdwahrnehmung eines regelkonformen Zisterzienserinnenklosters prägten. Mit der Wirtschaftsgeschichte ausgewählter französischer Klöster befasste sich Constance Berman (Iowa City) in ihrem Beitrag. Anhand der drei Zisterzienserinnenklöster St.-Antoine-des-Champs, Port Royal und Maubuisson – alle im Umkreis von Paris – stellte sie eine umfangreiche und breitgefächerte wirtschaftliche Potenz der Frauenklöster dar. Da diese vor allem auf einem hohen Maß an Eigenverantwortlichkeit beruhe, prägten sie auch entscheidend die Identität der geistlichen Frauen. Inwieweit die Nähe zu Paris und damit auch zum städtischen Markt die wirtschaftliche Struktur der Klöster beeinflusst oder welche Auswirkungen die wirtschaftliche Krise des 14. Jahrhunderts auf die stark auf die Landwirtschaft ausgerichteten Klöster hatte, waren entscheidende Anregungen in der Diskussion, die Constance Bermans Werkstattbericht um interessante Fragen ergänzte. Aus organisatorischen Gründen nahm auch Morgan Powell (Lugano) mit seinem Vortrag zum Thema „Reading as Mary did: Monastic lectio an the Formation of Female Monastic Identity ca. 1140“ an dieser Sektion teil. Ausgehend von dem starken Anstieg der Zahl religiöser Frauen und weiblicher religiöser Gruppen Mitte des 12. Jahrhunderts untersuchte er zwei Texte, das anonym überlieferte speculum virginum von 1140 und die Schritte Hildegards von Bingen, um das gemeinsame Phänomen der weiblichen religiösen Identität der Zeit und einer alternativen Wahrnehmung des Wortes zu zeigen. Am Beispiel Hildegards von Bingen konnte Morgan Powell eine Umformung monastischer lectio und damit zusamenhängend auch der weiblichen klösterlichen Identität zeigen.

Die letzte Sektion der Tagung widmete sich der Identität der Bettelordensschwestern. Gisela Muschiol (Bonn) und Christine Kleinjung (Mainz) leiteten diesen Teil der Tagung unter dem Titel „Die ersten Mendikantinnen auf dem Weg zu einem eigenständigen Profil“. Anhand des Pfullinger Klarissenklosters konnte Rahel Bacher (Tübingen) am Beispiel der beiden erhaltenen Siegel des Klosters, der Durchsetzung der Statuten im Lebensalltag der Klarissen und dem Wandel der Memoria Rückschlüsse auf das Selbstverständnis der Gemeinschaft ziehen. Während in der Forschung bisher, vor allem wegen der großen Ähnlichkeit, nur eines der beiden Siegel bekannt war, wies Rahel Bacher darauf hin, dass dennoch beide Siegel mehrfach an eine einzige Urkunde gehängt wurden. Sie kam zu dem Schluss, dass das ältere Siegel nach einiger Zeit in den alleinigen Gebrauch der Äbtissin übergegangen ist, sodass ein zweites Siegel geschaffen wurde, welches das Kloster als solches repräsentieren sollte. Mit der Reform des Klosters am 8. Dezember 1461 fand auch ein Wandel in der Selbstbeurteilung der Frauen statt, der an der Umsetzung der Regel im Klosteralltag festzumachen ist. Entscheidende Faktoren, so Rahel Bacher, seien die Aufgabe des Eigenbesitzes, die Ernährung der Frauen und der Wandel der Memoria nach der Reform. Mit der Identität der frühen Dominikanerinnen befasste sich Guido Cariboni (Mailand/Brescia), wobei er die beiden Klöster S. Agnese in Bologna und S. Sisto in Rom näher betrachtete. Mit diesen beiden auch für die Ordensgeschichte entscheidenden Klöstern konnte Cariboni zeigen, dass eine äußere Eingliederung in den Orden entscheidend die Festigung der Identität innerhalb der Gemeinschaft prägte. Auf der Suche nach geistlicher Betreuung riskierten die Nonnen, ihre rechtlichen und sozialen Eigenheiten zu verlieren. Aber durch Rückbesinnung oder sogar Neubesinnung auf ihre Gründung bedienten sich die Nonnen herausragender Ereignisse ihrer Geschichte, um nicht nur die Inkorporation in den Orden zu erneuern, sondern gleichzeitig auch, um ihre eigene Identität zu festigen und zu formen. Mit Blick auf Illustrationen in Handschriften des 15. Jahrhunderts, die von und für Klarissen geschrieben wurden, näherte sich Anne Winston-Allen (Carbondale, IL) dem Thema der Tagung. Sie stellte in ihrem Vortrag nicht nur eine Vielzahl von Selbstportraits einiger Klarissen vor, sondern auch deren Bilder einiger Heiliger. Darunter befanden sich Bilder von Bibelszenen, Bilder der Stifter und der Nonnen selbst. Begleitet waren die Illustrationen nicht selten von frommen Spruchbändern, die die Ehrfurcht der Leser wecken sollten. Die von Anne Winston-Allen für die Klarissen zusammengetragenen Illustrationen lassen sich in die Überlieferung anderer Orden der gleichen Zeit einordnen, vor allem aber der dominikanischen Illustrationen. Insgesamt erzeugen sie ein überraschend freundliches Bild im Gegensatz zu den strengen Restriktionen und Verboten, die die Regel hinter den Klostermauern vorschreibt. Daniel Stracke (Münster) richtete sein Augenmerk auf die Franziskanertertiarinnen in Nordwestdeutschland und damit gleichzeitig auf Beginen und die observanten Franziskanern der Region. Er konnte nämlich einen engen Konnex feststellen zwischen Beginengemeinschaften, die in institutionalisierte Ordenshäuser übergingen und observanten Franziskanern, die dort die 3. Regel ihres Ordens installieren wollten. Als Motive dafür konnte er unter anderem aufzeigen, dass die Franziskaner die Umwandlung als eine Art Reformauftrag verstanden und in den Konflikten mit den Konventualen die Tertiarinnen auf ihrer Seite wussten. Gleichzeitig arbeiteten die Tertiarinnen den Observanten in gewisser Weise als Dienstleister zu, was Vorteile für die Franziskaner versprach. Für die Frauen bestand der Vorteil in vielen Fällen darin, dass sie sich keiner Ordensstruktur unterwerfen mussten und weitgehend autonom blieben. So lebten sie etwa nie am selben Ort wie die Observanten und ihr Kontakt zum Orden bestand nur über die ihnen nahe stehenden observanten Franziskaner. Erst Anfang des 16. Jahrhunderts änderte sich diese Situation mit der Unterstellung der Tertiarinnen unter die Observanten durch den Papst. Damit konnte Daniel Stracke einen engen Zusammenhang zwischen franziskanischen Observanten und Tertiarinnen bei der Umwandlung der Konvente festhalten, der allerdings keinen dauerhaften Transformationsprozess darstellt, trotz allem aber ein starkes Selbstbewusstsein innerhalb der Konvente bedingte.